Am Berg angekommen!
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Unboxing Pistenraupe

Ein neuer Pistenbully wird am Zwölferkogel angeliefert und zusammengebaut. Wir waren dabei.

Unboxing ist ein Internettrend. Man kennt es: Irgendwer packt mehr oder weniger Nützliches vor der Kamera aus und zeigt, was sich alles in der Schachtel befindet. Gut, eine Pistenraupe wird nicht in einer Schachtel geliefert. Wir "unboxen" sie trotzdem.

Ungefähr 100 Mitarbeiter sind im Skicircus Saalbach Hinterglemm Leogang Fieberbrunn allein für die Pistenpräparierung zuständig. Nacht für Nacht sorgen sie für perfekte Pistenbedingungen. Das wichtigste Arbeitsgerät: Die Pistenraupe. Meist sind es Modelle der großen Hersteller PistenBully oder Prinoth. Ich bin mit der Kamera dabei, als am Zwölferkogel ein nagelneuer Pistenbully Polar 600 angeliefert wird.

 

Anlieferung per LKW

Um 07:30 Uhr treffen wir uns bei der Werkstatt der Hinterglemmer Bergbahnen in der Nähe der 12er KOGEL Talstation. Heute werden zwei neue Pistenraupen angeliefert. Eine verstärkt den Fuhrpark im Bereich Hochalm, die andere sorgt künftig am Zwölferkogel für fein gerippte Pisten. 

 

Für den Transport einer Pistenraupe sind zwei LKW nötig. Einer hat das eigentliche Fahrzeug geladen, der Zweite die Anbauteile wie die beiden Laufwerke (Ketten sagen nur Laien wie ich), Schild und Fräse. Fertig zusammengebaut wiegt der Pistenbully ca. 13 Tonnen. Ich finde es ja immer ganz spannend wie unspektakulär so eine Pistenraupe ohne Laufwerke aussieht. Fast schon putzig mit den kleinen Rädern. Die Optik ändert sich aber schnell, denn ein paar Stunden später steht das imposante Gerät einsatzbereit vor mir.

Aufwändiger Transport auf den Berg

Aber der Reihe nach. Ich schließe mich dem Transport zur Pistengeräte-Garage oberhalb der 12er KOGEL Mittelstation an. Im Schwarzachergraben bleibt der Convoy stehen und wir fahren in unserem Pickup die Strecke mit einem der LKW Fahrer ab, um den Straßenzustand zu begutachten. Schnell steht fest, dass aufgrund der stellenweisen Schnee- und Eisschicht ohne Schneeketten nichts geht. In schwerer Handarbeit werden also zehn LKW Reifen mit schweren Eisenketten umspannt, bevor es gut eine Stunde später weitergehen kann.

 

Dank der erfahrenen LKW Lenker ist der Transport ohne Probleme an seinem Ziel angekommen und der Entladevorgang kann starten.

 

Pistengeräte-Garage samt Werkstatt am Berg

Zugegeben: Mein Büro kann mit diesem Arbeitsplatz hoch über Hinterglemm nicht mithalten. Direkt oberhalb der 12er KOGEL Mittelstation sind bei der Pistengeräte-Garage ganzjährig jene Mitarbeiter im Einsatz, die neben der "sichtbaren" Arbeit der Pistenpräparierung auch für diverse Wartungsarbeiten und Reparaturen am Fuhrpark zuständig sind. So ist beispielsweise alle 500 Betriebsstunden ein Service fällig. Eine Pistenraupe ist über den Winter hinweg in Summe ca. 1000 Stunden im Einsatz. Tipp an die Leser: Beim Pistenraupenkauf zählen die Betriebsstunden, nicht der Kilometerstand! ;)

 

Finale Montage als Teamwork

Unser neuer PistenBully muss jetzt nur noch zusammengebaut werden. Dafür werden zuerst die "Anbauteile" neben dem LKW, auf dem das Hauptfahrzeug steht, mittels Kran positioniert. Die Laufwerke werden ausgerollt und im exakt richtigen Abstand nebeneinander ausgebreitet, das Schild wird vor- und die Fräse hinter die Laufwerke gelegt. 

 

Dann folgt der spannendste Teil: Mit dem Kran wird das 10 Tonnen schwere Fahrzeug vom LKW gehoben und schwebenderweise in Zentimeterarbeit auf die Laufwerke gestellt. Hier wäre jeder Fehler richtig teuer, aber die Männer machen das ja nicht zum ersten Mal. Nachdem dieser schwierige Teil geschafft ist, werden die Laufwerke auf die Räder gespannt und final verschraubt. Danach werden das Schild und die Fräse montiert, die Hydraulikleitungen verbunden und alle Schrauben und Muttern fest angezogen. Nach wenigen Stunden ist die Pistenraupe mit allen Teilen fertig aufgebaut und kann nach einer wohltuenden Behandlung mit dem Dampfstrahler in der Garage auf den ersten Schnee-Einsatz warten.

Die fünf Elemente

Der neu angelieferte Pistenbully im Fokus. Sehen wir uns die fünf wichtigsten Teile dieser Maschine an.

 

  1. Das Fahrzeug
    Ein 520 PS starker Dieselmotor schlummert unter der Haube des PistenBully 600 Polar. Die werden auch gebraucht, wenn die Pistenraupe bei Nacht und Schneetreiben auf der steilen WM Abfahrt am Zwölferkogel unterwegs ist. Im Fahrerhaus ist neben viel Komfort für den Pistenraupenfahrer (umgangssprachlich "Raupinger" genannt) vor allem für ausgereifte Technik gesorgt. So wird zum Beispiel via GPS die exakte Schneehöhe unter der Raupe ermittelt, wodurch der Fahrer immer weiß, wie viel Schnee er unter der Raupe hat und wo welcher fehlt oder abgetragen werden kann. Das GPS in den Pistenraupen ist auch Bestandteil des intelligenten Schnee-Managements, weil punktgenau der Bedarf ermittelt werden kann.
     
  2. Die Winde
    Über 1000 Meter Stahlseil und 4,5 Tonnen Zugkraft stecken in dieser Winde. Benötigt wird diese auf steilen Pisten, wo sie die Pistenraupe mit ihrer Zugkraft sichert und unterstützt. In der neuesten Generation passiert in der Windensteuerung vieles schon automatisiert. So erkennt die Winde in welche Richtung mit welcher Kraft gezogen werden muss und unterstützt so intuitiv und eigenständig den Fahrer. Eingehängt wird das Stahlseil an strategisch platzierten Ankerpunkten am Pistenrand.
    Wichtig: Durch das gespannte, lange Seil besteht Lebensgefahr, auch wenn die Pistenraupe gar nicht in Sichtweite ist. Deshalb ist die nächtliche Pistensperre ab 17:00 Uhr unbedingt einzuhalten.
     
  3. Die Laufwerke
    Die je über eine Tonne schweren Laufwerke der Pistenraupe bestehten aus auf Naturkautschukbändern montierten Stahl- und Aluminiumstreben und sorgen für den nötigen Grip auf Eis und Schnee. Zusätzlich verteilen Sie aufgrund der großen Auflagefläche den Druck durch das Gewicht des Pistengeräts gleichmäßig auf die Piste und "reißen" die Schneedecke auf. Gelenkt wird die Pistenraupe übrigens, indem die Laufwerke unterschiedlich schnell laufen.
     
  4. Die Fräse
    Sie sorgt elektronisch und hydraulisch gesteuert für das, was Skifahrer dann als frisch präparierte Piste erkennen: Den Feinripp. Der von den Laufwerken "aufgerissene" Schnee wird von der Fräse zerkleinert und dann von den ganz hinten angebrachten "Finisher-Lappen" geglättet und mit den charakteristischen Rippen versehen. Die Plexiglasschilder zwischen Raupe und Fräse "fangen" die durch die Laufwerke hochgeschleuderten Schnee- und Eisbrocken auf und führen Sie der Fräse zu, da diese sonst über die Fräse hinwegfliegen würden.
     
  5. Das Schild
    Die unvermeidbaren Haufen, die nach einem langen Skitag vor allem auf steileren Passagen einer Piste entstehen, sind für das Schild kein Problem. Der hydraulisch gesteuerte Pflug macht kurzen Prozess mit Haufen und Häufchen und ebnet die Piste wieder schön ein. Außerdem schieben die Raupenfahrer mit dem Schild Schnee an Stellen, wo die Auflage laut GPS zu gering ist.
Pistenraupen im Sommereinsatz

Die Bergbahnen sind auch für die sommerliche Landschaftspflege der betriebseigenen Pistenflächen zuständig. Würde man die Flächen nicht durch Mähen, Schwenden etc. bewirtschaften und pflegen, würden die Wiesen schnell verwildern. Dies würde die Pistenpräparierung im Winter erschweren, weil der Untergrund zunehmend unebener werden würde. Das Mähgut bleibt übrigens auf den Wiesen liegen und sorgt so für perfekte Gründüngung.

 

Anstatt hierfür eigenes Gerät anzuschaffen, werden teilweise einfach die Pistenraupen umfunktioniert. Sie bekommen Sommerlaufwerke, die deutlich schmäler sind und nur aus Gummi bestehen. Statt der Fräse für die Pistenpräparierung wird ein Schlägelmulcher montiert. So können die steilen Hänge perfekt bearbeiten.

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