Grandiose Aussicht | © Michaela Mitterer
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24 Stunden am Berg - Die Nachtschicht

Wir schauen einen Tag hinter die Kulissen des Skibetriebes

Jetzt ist es so weit – die letzten Skifahrer sind im Tal und es ist herrlich ruhig am Berg. Um 17:00 Uhr tritt die Pistensperre in Kraft. Wenn die einen den Skitag beenden, beginnen die anderen den Arbeitstag. Ausschließlich Männer arbeiten im Skicircus abends auf den Pisten.

Der Nachtdienst als „Schneiber“ und Pistenraupenfahrer ist von Frauen noch ein sehr wenig gewähltes Berufsfeld, obwohl generell Frauen als Mitarbeiterinnen am Berg generell immer öfter zu sehen sind. Wer weiß, was sich so tut in den nächsten Jahren – vielleicht kann ich schon bald eine Story über die erste Pistenraupenfahrerin im Glemmtal schreiben. Heute stehen auf alle Fälle die Männer im Fokus, die nachts, während Skifahrer ihre müden Beine ausruhen, für die perfekten Pisten sorgen. Während Helli, der mir während der ersten Story Tagschicht einen Einblick in den Rettungsdienst gegeben hat, in der Nacht „schneibt“, sorgt Manfred für den Feinschliff der Funslopes und präpariert gemeinsam mit insgesamt neun anderen Pistenraupenfahrern im Hochalmgebiet die Abfahrten. Los geht’s! 

Die Pistenbeschneiung im Skicircus 

Die Speicherteiche, die im Sommer als Retentionsbecken und zur Sammlung des Wassers dienen, sorgen im Winter für zusätzlichen Schnee am Berg und die perfekten Bedingungen auf den Pisten. Die Teiche werden unter strengen Umweltschutz-Auflagen in die Landschaft eingebettet und so zum neuen Lebensraum für Insekten, Libellen, Frösche und viele mehr. In den wärmer werdenden Sommermonaten dienen sie zusätzlich als Wasserquelle für Wildtiere. Für Bienen ist ein einfacher Wasserzugang ebenso wichtig wie für Füchse, Rehe, Enten und Vögel. Zusätzlich werden Ausgleichsmaßnahmen wie Aufforstungen und Biotopbauten durchgeführt – so entstand zum Beispiel der wunderschöne Himmelsteich neben dem Rosswald-Speicherteich. Die Teiche gelten im Sommer wie im Winter als beliebte Erholungsgebiete für Einheimische und Gäste. 

 

Das Wasser, das zur Beschneiung verwendet wird, setzt sich ausschließlich aus Quell-, Regen- und Schmelzwasser zusammen. Durch die Schneeschmelze und die Verdunstung gelangt das Wasser zur Gänze zurück in die Natur. Die angelegten Wasserbassins gleichen mithilfe der Pumpen in den Pumpstationen diese Energieverbrauchspitzen aus und dienen im Sommer zusätzlich als Hochwasserschutz. Der Energieaufwand, der für die zusätzliche Beschneiung benötigt wird, ergibt sich zur Gänze aus erneuerbarer Energie wie Wasserkraft, Photovoltaik und Biomasse. Wer mehr zu diesem Thema lesen möchte, findet hier genaue Infos zu den umgesetzten Umweltschutzmaßnahmen im Skigebiet. 

 

Von der Theorie in die Praxis

Der Skicircus Saalbach Hinterglemm Leogang Fieberbrunn ist mit einer der größten Arbeitgeber der Region. Dies bedarf gut durchdachter Betriebskonzepte. Und der Erfolg gibt ihnen Recht – spätestens, wenn man frühmorgens auf der perfekten Piste steht, erahnt man, welche Arbeiten dazu im Hintergrund über Nacht nötig waren. 

 

„Schneiber“ – Beruf & Berufung

Helli ist seit über 30 Jahren während der Wintermonate beim Lift angestellt und arbeitet je nach Bedarf tagsüber im Rettungsdienst oder nachts als „Schneiber“. So nennen wir umgangssprachlich die Mitarbeiter, die für den reibungslosen Ablauf der nächtlichen Beschneiung verantwortlich sind. („Es schneib“ = „Es schneit“ im Pinzgauer Dialekt. Und darum ist ein Beschneiungstechniker bei uns schlicht ein „Schneiber“). 

 

Schichtbeginn ist um 19:00 Uhr. Es gibt keinen fixen Dienstplan, frei nach dem Motto: „Wenns zum Schneien geht, dann schneien wir.“ Ab ungefähr minus drei Grad ist das der Fall. Schon von daheim aus kann das Team (der Schneib-Dienst erfolgt immer zu zweit) über die speziell entwickelte App auf die Schneekanonen zugreifen und sich einen Überblick über die Temperaturen verschaffen. Gemeinsam mit dem diensthabenden Betriebsleiter wird dann abgestimmt, ob, wann und wie die Beschneiung in Angriff genommen wird. Und so, wie wir es von der Tagschicht bereits kennen, beginnt die Nachtschicht mit einer Kontrollfahrt.

 

Alle Schneekanonen in Stellung! 

Alle Schneekanonen werden in Stellung gebracht, gegebenenfalls abgedeckt und gestartet. In den nächsten 12 Stunden werden die Kanonen in kurzen Abständen genau justiert, eingestellt und kontrolliert. Zusätzlich zur Sichtkontrolle dienen die App und das Computerprogramm im Büro der Pumpstation, die eventuelle Fehlermeldungen und Auffälligkeiten punktgenau anzeigen.

 

Mit der automatisierten Schneehöhenmessung, die in den modernen Pistengeräten eingebaut ist, sieht man genau, wo und wann wie viel Schnee produziert werden muss, um in Abstimmung mit dem Pistenraupenfahrer ein perfektes Ergebnis zu erzielen. Durch die genauen Bemessungen ist ein präzises Beschneien möglich – somit kommt es zu keinem unnützen Wasser- oder Energieverbrauch. Generell wird nur ein bestimmtes Wasserkontingent verwendet. In vielen Wintern wird es nicht voll ausgeschöpft. Die präzise Planung und Umsetzung machen einen ressourcenschonenden Ablauf möglich. 

 

Um 06:00 Uhr beginnt die Schlussrunde – alle Schneekanonen werden abgeschaltet bzw. je nach Position wieder zugedeckt. Es folgt die Besprechung mit dem diensthabenden Betriebsleiter, bevor es um 07:00 Uhr „Dienstende!“ heißt. 

 

An einem Tag, an dem es schneit oder an dem die Pisten beschneit werden, liegt es an den Pistenraupenfahrern, den Schnee auf den Pisten zu verteilen und eine perfekte Oberfläche zu walzen. Viel Zeit bleibt nicht – schließlich sperren die ersten Lifte schon wieder in weniger als einer Stunde auf. Die perfekten Pisten setzen also auch ein präzises Zeitmanagement voraus. In Nächten, in denen es nicht schneit und in denen auch nicht beschneit wird, geschieht die Präparierung der Funslopes und Pisten abends. So wie heute. 

 

Nachts unterwegs auf den Funslopes und Pisten 

Es ist 16:00 Uhr und das Team der Hochalm-Pistenraupenfahrer beginnt seinen Dienst. Gestartet wird mit einer Dienstbesprechung und anschließenden Checks der Maschinen. Die Männer arbeiten eng zusammen und nach genauer Absprache – jeder weiß, was zu tun ist, wenn er um kurz nach 17:00 Uhr in sein Pistengerät steigt und sich zu dem Bereich, der ihm zugeteilt ist, aufmacht.

Maximale Flexibilität ist gefragt

Pistenraupenchef-Stellvertreter Mark, der bereits seit 1997 bei den Bergbahnen beschäftigt ist, lässt mich dieses Mal bei der Besprechung dabei sein – und verrät spannende Fakten rund um die Mannschaft, den Arbeitsablauf, die Maschinen und das gemeinsame Ziel: die perfekte Piste! 

 

  • Maximale Flexibilität der Mannschaft sorgt für das perfekte Timing – je nach Wetter werden die Pisten abends (oder bei Schneefall morgens) präpariert. 
  • Die Pistengeräte sind unterschiedliche Modelle der Hersteller Kässbohrer und Prinoth und jeweils mit einem Fahrer besetzt. 
  • Jeder Pistenraupenfahrer hat seinen fixen Bereich. Zum Schluss wird aber zusammengearbeitet, bis alle Abfahrten im perfekten Zustand sind. 
  • Die Maschinen werden in der betriebsinternen Werkstatt überholt und instandgehalten. Etwaige Schäden können so in kürzester Zeit behoben werden. 
  • Die Pistengeräte bleiben generell – je nach Zustand – 10 bis 12 Jahre im Betrieb und haben dann 10.000 bis 12.000 Betriebsstunden auf der Maschine. 
  • Um als Pistenraupenfahrer arbeiten zu können, bedarf es eines B-Führerscheins, außerdem ist eine betriebsinterne Fahrerberechtigung erforderlich. 
  • Zu den Aufgaben als Pistenraupenfahrer zählen neben der Präparierung die Maschinenpflege und die Wartung. Schmieren, Waschen, Sichtkontrollen und die Ölstand-Kontrolle werden hier erledigt. 
  • Ziel des Tages? DAS PERFEKTE FINISH! So heißt das nämlich, habe ich mir sagen lassen. 

Und dann interessiert mich noch sehr, was einen guten Pistenraupenfahrer ausmacht. Das Team ist sich einig: Es geht um Begabung und das Gefühl. Manche haben den Dreh sehr schnell raus, andere brauchen einfach etwas mehr Übung, um die perfekte Abfahrt zu präparieren. 

 

Kevin, der Neue in der Runde, hat sich aufgrund seines ausgeprägten Interesses für Maschinen für diesen Job entschieden. „Es ist anspruchsvoller, als ich dachte – aber super cool!“, sagt er. 

 

Was sich in den letzten Jahren, seit Mark nachts im Skigebiet unterwegs ist, geändert hat, möchte ich noch gerne wissen. Er meint: „Die modernen Maschinen samt Schneehöhenmessung, das attraktive und individuelle Dienstrad und die betriebsinterne Werkstatt sind wohl die maßgeblichsten Veränderungen. Diese Dinge haben vieles vereinfacht und den Ablauf perfektioniert.“

Und dann müssen wir auch schon los – schließlich präpariert sich die Piste nicht von selbst. 

Ich fahre heute bei Manfred mit – er ist neben der Präparierung der Piste in dem ihm zugeteilten Bereich für die Funslopes zuständig. Wenige Minuten nach dem gemeinsamen Start sitze ich schon drinnen: in „seinem“ Pistenbully Level Red 600 Polar mit 520 PS. 

 

Auch Manfred blickt auf eine lange Zeit im Betrieb zurück. Er startete 1991 und war damals beim Hochalm-Schlepplift stationiert. Mittlerweile ist er bereits seit 30 Saisonen „Raupinger“. Neben der Präparierung der Piste baut er die Funslopes im Bereich Hochalm. Je nach Schneeverhältnissen steht er jeden Tag vor unterschiedlichen Herausforderungen. Während wir mit knapp 13 km/h Richtung Gipfel fahren, beginnt es zu regnen.

 

Welche Art von Schnee eignet sich am Besten für die Präparierung?

Manfred erklärt: „Weicher Schnee und anschließender Regen machen die Präparierung zur Herausforderung. Der schwere Schnee, der später, wenn’s kälter wird, anzieht, lässt sich schwer gleichmäßig verteilen. Am allerbesten geht’s, wenn es kalt ist und frischer Neuschnee liegt.“ 

 

Wir befinden uns auf einer reinen Naturschneepiste ohne jegliche Pistenkorrektur. Auch ein Faktor, der bei der Präparierung eine Rolle spielt. Um den Schnee gleichmäßig "anschieben" zu können, verfügen sechs der sieben Maschinen, die in diesem Bereich im Einsatz sind, über eine Winde. Als sich die Sonne am Horizont nochmal zeigt, verstehe ich das, von dem alle schwärmen – die Ruhe und der Ausblick sind echt einzigartig! Oben angekommen, hängt Manfred das Pistengerät am Ankerpunkt an der Winde ein. Das Seil ist 1.400 Meter lang und zieht 4,5 Tonnen. 

 

Mit modernster Technik sieht er mit der eingebauten Schneehöhenmessung auf den ersten Blick, wie dick die Schneeschicht unter uns ist. Ein Meter gilt als idealer Richtwert. Die Technik ist eine super Unterstützung, ersetzt aber nicht das Gefühl für die Piste. Und das wiederum kommt mit Erfahrung und Leidenschaft. Nachdem Manfred den gesamten Bereich präpariert hat, fahren wir noch einmal zum Gipfel und er hängt die Winde wieder aus. Jetzt stehen die Funslopes an!

 

Der routinierte Fahrer hat bei der Gestaltung der Funslopes freie Hand. Je nach Gegebenheit des Geländes und der Beschaffenheit des Schnees baut er die Kurven und Hügel ein. Nach dem Bau werden die Slopes von den Betriebsleitern abgenommen und freigegeben. Einmal gebaut, werden die Strecken täglich neu aufgefrischt und für den nächsten Tag vorbereitet. Besonders Kids lieben diese Areale, die auf knapp einem Kilometer abwechslungsreich durchs Gelände zurück auf die Piste führen. Perfekt schon für die Kleinsten! 

 

Manfred bringt mich dann noch zu seinem Kollegen Andy, der den unteren Bereich der Hochalm präpariert. Mit ihm darf ich ins Tal zurückfahren. Ich bin angesteckt von der Freude und der Leidenschaft für die perfekte Piste. Wenn man das Endergebnis sieht, kann man es selbst kaum erwarten, bis die Lifte am nächsten Morgen aufsperren. 

 

Mein Fazit nach 24 Stunden am Berg


Alle Menschen, die ich in den letzten 24 Stunden getroffen habe, verbindet die Leidenschaft zum Job und das gemeinsame Arbeiten am großen Ganzen. Es geht um das Gesamterlebnis Skifahren – für Gäste aus der ganzen Welt. Egal, ob man als Early Bird frühmorgens schon die Gondel betritt und die Pisten genießt oder ob man sich im Notfall auf ein Team verlassen kann, das auch in Ausnahmesituationen routiniert, ruhig und professionell unterstützt. Man ist auf alle Fälle in guten Händen, kann ich persönlich resümieren! 

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